Effiziente medikamentöse Adipositasbehandlung (Tirzepatid)

Tirzepatide for Weight Reduction in Chinese Adults With Obesity: The SURMOUNT-CN Randomized Clinical Trial

Zhao L. et al. JAMA 2024: online ahead of print

In China wurden 210 übergewichtige Menschen (Alter 36 Jahre; 49 % Frauen; Gewicht 92 kg; BMI 32.3) randomisiert und erhielten entweder einmal wöchentlich subkutan Tirzepatid 15 mg, Tirzepatid 10 mg oder Placebo. Die Verminderung des Körpergewichts in Woche 52 betrug -17.5 %, -13.6 % und -2.3 % (je p<0.001 gegenüber Placebo). Eine Körpergewichtsreduktion von 5 % oder mehr erreichten 85.8 % mit Tirzepatid 15 mg, 87.7 % mit Tirzepatid 10 mg und 29.3% mit Placebo (je p<0.001 gegenüber Placebo). Die häufigsten behandlungsbedingten Nebenwirkungen mit Tirzepatid waren gastrointestinal; lediglich <5 % führten zum Abbruch der Behandlung.

Diese Zahlen aus China werden unsere vielen übergewichtigen Patienten optimistisch stimmen. Wir kennen einerseits die Misserfolge der Lebensstilveränderungen und haben im Weekly (https://stage.rheuma-schweiz.ch/weekly/ausgaben/weekly-1-januar-2024/studien-1-januar-2024/#studie-1 und https://stage.rheuma-schweiz.ch/weekly/ausgaben/weekly-29-januar-2024/studien-29-januar-2024/#studie-1) auch über die Belastung durch Übergewicht hinsichtlich Auftretens und Therapieverlauf bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen berichtet. Die beiden Darmhormone GLP-1 (Glucagon-ähnliches Peptid-1) und GIP (glukoseabhängiges insulinotropes Polypeptid) werden während der Mahlzeiten von neuroendokrinen L-Zellen (GLP-1) und K-Zellen (GIP) ins Blut abgegeben, um die Insulinsekretion im Pankreas für die bevorstehende Resorption von Glukose zu steigern. Gleichzeitig verlangsamen die beiden Peptidhormone die Magenentleerung, was das Völlegefühl steigert. Darüber hinaus lösen sie im Gehirn ein Sättigungsgefühl aus.

Die Daten zu diesem dualen GIP/GLP-1-Rezeptor-Co-Agonisten („Twincretin“) stimmen aber auch nachdenklich: Sind Medikamente, um unseren Appetit zu zügeln, stärker als unser Wille? Medizinisch stellt sich die Frage: Muss die Therapie lebenslänglich weitergeführt werden? Wird bei längerer Einnahme die Gewichtsreduktion weitergehen, oder gewöhnt sich das Appetitzentrum an die Substanz? Ist das Absetzen von Tirzepatid mit einer Gewichtszunahme verbunden? (In bisherigen Studien wurde das Ausgangsgewicht nach Absetzen in ½ bis ⅔ der Patienten innert einem Jahr wieder erreicht). Der Lichtblick: die Lebensqualität für übergewichtige Menschen sollte sich bessern, und wir können wohl auch viele Folgekosten des Übergewichts einsparen.

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KD Dr. Marcel Weber
Zürich

Zoledronat bei Kniearthrose

Effect of Intravenous Zoledronic Acid on Total Knee Replacement in Patients With Symptomatic Knee Osteoarthritis and Without Severe Joint Space Narrowing: A Prespecified Secondary Analysis of a Two-Year, Multicenter, Double-Blind, Placebo-Controlled Clinical Trial

Cai G. et al. Arthritis Rheumatol 2024l;76(7):1047

Währenddem es Daten aus Beobachtungsstudien gibt, die einen positiven Effekt von Bisphosphonaten auf die Schmerzintensität und die strukturelle Progression bei Kniearthrose zeigten, sind die Resultate aus prospektiven randomisierten Studien widersprüchlich. In einer Metaanalyse (Osteoarthritis Cartilage 2018;26:154ff) und einer placebokontrollierten Studie (JAMA. 2020;323:1456ff) konnte kein solcher Benefit von Zoledronat nachgewiesen werden. Die aktuelle Studie ist eine Fortsetzung der JAMA Studie, bei welcher Patienten mit einer Kniearthrose und Knieschmerzen >4/10 auf einer VAS von 0–10, mit zusätzlich nachgewiesenem subchondralem Knochenödem im MRI, eingeschlossen wurden. Die Patienten erhielten zum Zeitpunkt 0 und nach 12 Monaten entweder Zoledronat 5 mg oder Placebo i.v.. Nach 24 Monaten konnte kein Unterschied der strukturellen Progression und auch der Knieschmerzen gefunden werden. In der aktuellen Analyse der in diese Studie eingeschlossenen Patienten wurde die Rate an Patienten, bei welchen im Verlauf eine Knieprothesenoperation notwendig wurde, untersucht. Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 7 Jahren erhielten 39 % der mit Zoledronat behandelten Patienten und 30 % in der Placebogruppe eine Knie-TP. Die erhöhte Rate bei den Zoledronat Patienten an notwendigen Knie-TPs erfolgte in den 2 Jahren der placebokontrollierten Studie und nicht im weiteren Beobachtungsverlauf.

Kommentar
Zusammenfassend hat die Gabe von Zoledronat bei Kniearthrose keinen positiven Effekt auf die Schmerzen, die strukturelle Progression und die spätere Notwendigkeit einer Knie-TP Implantation. Im Gegenteil scheint in der ersten Zeit nach der Zoledronatinfusion das Risiko für eine Knie-TP sogar erhöht zu sein. Eine Erklärung für dieses Phänomen hatten die Autoren dieser Studie nicht.

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Dr. Thomas Langenegger
Baar

«Sklerodermie/ Sklerodermie-ähnliche» Muster in der Kapillarmikroskopie bei Sklerodermie und anderen rheumatologischen Erkrankungen

"Scleroderma" and "Scleroderma-like" Capillaroscopic Pattern-Differences and Similarities

Lambova S., Müller-Ladner U. Current Rheumatol Rev 2024; 20(3): 304

In einer retrospektiven Querschnittsstudie wurden 684 kapillarmikroskopische Bilder analysiert, die ein «Sklerodermie»- und «Sklerodermie-ähnliches» Muster zeigten. Ziel dieser Studie war, die Unterscheidungsmerkmale zwischen dem «Sklerodermie»-Muster bei SSc und dem «Sklerodermie-ähnlichen» Muster bei anderen rheumatischen Erkrankungen zu bewerten.

479 Bilder wurden von 50 SSc-Patienten, 105 von 7 DM-Patienten, 38 von 10 Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), 36 Bilder von 5 SLE-Patienten und 26 Bilder von 9 UCTD-Patienten analysiert. Alle in der Analyse verwendeten Bilder erfüllten die Kriterien für das «Sklerodermie/Sklerodermie-ähnliche» Muster. Alle Bilder wurden in eine der folgenden Gruppen (nach Cutolo et al.) kategorisiert: «früh», «aktiv» und «spät» oder «andere» Befunde, wobei letztere speziell beschrieben wurden, da sie keiner der drei anderen Kategorien zugeordnet werden konnten.

Von den 479 Bildern der 50 Sklerodermie-Patienten zeigten 31 eine «frühes», 391 «aktives», und 57 eine «spätes» Muster der «Sklerodermie»-Typ-Mikroangiopathie. In 69 Bildern, die als «aktives» Muster bewertet wurden, wurde eine Neoangiogenese gefunden. In 43 von 105 Bildern von DM-Patienten wurde ein «aktives» Muster festgestellt; in 2 der Bilder wurde ein «spätes» Muster gefunden, und in 60 kapillarmikroskopischen Bildern wurde eine Neoangiogenese in Kombination mit Riesenkapillaren beobachtet. Frühe Mikroangiopathie wurde in dieser Gruppe nicht gefunden. Unter den Bildern von SLE-Patienten wurde kein «spätes» Muster der Mikroangiopathie gefunden. Ein «frühes» Muster war in 3 Bildern vorhanden, ein «aktives» Muster in 29, Neoangiogenese zeigte sich in der «aktiven» Phase in 4 Bildern. Frühe Mikroangiopathie wurde in 11 Bildern von RA-Patienten (8 von 9 Patienten) nachgewiesen, eine «aktive» Phase in 4 Bildern (3 Patienten), und in 23 kapillarmikroskopischen Bildern wurden Neoangiogenese mit kapillärem «Derangement», Verlust der Kapillardichte sowie einzelne Riesenkapillaren («rheumatoides neoangiogenetisches Muster») beobachtet. Eine klassische «späte» Typ-Mikroangiopathie wurde bei RA-Patienten ebenso wenig wie bei Patienten mit UCTD gefunden. Das vorherrschende kapillarmikroskopische Muster bei UCTD-Patienten war die frühe Mikroangiopathie (n = 23). Die restlichen Bilder von UCTD zeigten Merkmale der «aktiven» Phase. Zusammenfassend wurde eine frühe Mikroangiopathie bei RA-, SLE- und UCTD-Patienten, jedoch nicht bei DM-Patienten beobachtet. Ein «aktives» Muster wurde bei allen untersuchten Erkrankungen festgestellt. Ein «spätes» Muster war nur bei Patienten mit Sklerodermie und DM vorhanden und wurde bei SLE, RA und UCTD nicht beobachtet.

Kommentar
Das kapillarmikroskopische Muster des Typs «Sklerodermie» ist ein Referenzmuster in der Rheumatologie, welches bei der systemischen Sklerose (SSc) bei mehr als 90 % der Patienten beobachtet wird. Ähnliche mikrovaskuläre Veränderungen, die sogenannten «sklerodermie-ähnlichen» Muster, wurden auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen beschrieben. Obwohl die Mikroangiopathie zwischen Sklerodermie und anderen rheumatischen Erkrankungen manchmal nicht unterschieden werden kann, haben die Studienergebnisse das Vorhandensein von Unterscheidungsmerkmalen zwischen «Sklerodermie» und «Sklerodermie-ähnlicher» Mikroangiopathie gezeigt. Weitere Studien sind erforderlich, um die spezifischen Merkmale der Mikroangiopathie bei verschiedenen rheumatischen Erkrankungen besser zu verstehen. Insbesondere longitudinale Beobachtungsstudien könnten dazu beitragen, die Definitionen und Kriterien für die Einstufung der mikrovaskulären Veränderungen zu verbessern, was zu einem besseren Verständnis der Krankheitspathogenese und -progression führen würde.

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Dr. Christian Marx
Zürich

Hypermobilität und spinale Deformitäten

Hypermobility Among Adolescents and the Association With Spinal Deformities: A Large Cross-Sectional Study

Hershkovich O. et al. JAAOS Reviews 2024: online ahead of print

Querschnittsstudie bei über einer Million Militärrekruten im Alter von 17 Jahren mit Frage nach Zusammenhang zwischen Hypermobilität und spinalen Deformitäten.

Rekruten mit einem Beighton-Score von 5/9 und höher wurden eingeschlossen (Marfan-Syndrom und Ehlers-Danlos-Syndrom ausgeschlossen). 0,01% der untersuchten Rekruten wiesen eine Hypermobilität auf, spinale Deformitäten wurden in 10,5% gefunden. Die Assoziation zwischen Hypermobilität und spinalen Deformitäten betrug insgesamt 2.3 (Odds Ratio) und war signifikant. In den Subgruppen fanden sich Odds Ratios von 1,2 für milde Deformitäten, 5,8 für mässige Deformitäten und 4,0 für schwere Deformitäten. Die Deformitäten betrafen insbesondere die idiopathische Skoliose wie auch die Scheuermann-Kyphose.

Fazit
Die Studie unterstreicht eine Verbindung zwischen Hypermobilität und spinalen Deformitäten (idiopathische Skoliose und Scheuermann-Kyphose). Damit weist die Studie auch auf die Notwendigkeit einer Früherkennung der Hypermobilität bei Jugendlichen hin, um mittel geeigneten Massnahmen die Entwicklung einer spinalen Deformität zu verhindern bzw. zu mindern. Prospektive Untersuchungen sind nötig, um Zusammenhänge besser zu erkennen.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich